Gewohnheit bei der Grenzbebauung ist eine rechtliche Hilfskrücke
Mit der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Jahr 1900 erledigte sich das Gewohnheitsrecht als justiziable Entscheidungsgrundlage. Als helfender Gedanke, um schwierige Konflikte und Sachverhalte zu lösen, wird es aber im Sinne von Anspruch auf Duldung Verhältnismäßigkeit in manchem gerichtlichen Urteil berücksichtigt.
So kann beispielsweise eine erwünschte bauliche Situation durch die Nachbarzustimmung zur Grenzbebauung rechtssicher beibehalten werden. Oft handelt es sich um das Betretungs- und Wegerecht betreffende Gewohnheiten.
Gewohnheitsrecht ist nicht einklagbar, nachfolgend und untergeordnet
Wenn ein Bestandsschutz für eine Mauer an der Grundstücksgrenze entstanden ist oder im botanischen Bereich beispielsweise für einen Baum, handelt es sich nicht um Gewohnheitsrecht.
Wenn ein Nachbar nach Jahren einen Überbau der Grundstücksgrenze bemängelt und das nicht vom Bestandsschutz geschützt ist, kann ein Richter auf eine Duldungspflicht entscheiden. Neben der Unerheblichkeit der wenigen Zentimeter Überbau wird bei der Beurteilung auch der Beeinträchtigungsgrad bewertet. Ein solcher Fall kann frei als Gewohnheitsrecht interpretiert werden.
Ein Gewohnheitsrecht kann durch einen Kniff zu einem justiziablen Recht werden, in dem es beispielsweise als Baulast oder Grunddienstbarkeit in das Baulastenverzeichnis und/oder Grundbuch eingetragen wird. Eine Alternative ist der Abschluss eines privatrechtlichen Nutzungsvertrages, gegebenenfalls mit einem entsprechenden finanziellen Ausgleich als Einmalzahlung oder Rente. Zu beachten ist, dass ein Grundstückswert meist durch einen solchen Eintrag sinkt.
Folgende typische Eigenschaften müssen bezüglich des Gewohnheitsrechts beachtet werden:
- Es liefert keinen Anspruch auf Änderung oder Beibehaltung
- Es kann durch ein Gericht in ein Richterrecht umgewandelt werden
- Es entspricht keinem Bestandsrecht
- Es ist nicht durch Zeit zu gewinnen
- Es bleibt immer eine Auslegungssache und vage Hilfskrücke