Als Baustoff sowie als Flechtmaterial für Alltagsgegenstände wurde Seegras in den Mittelmeerländern seit jeher eingesetzt. Seegras zur Wärmedämmung wird aus der Seegrasart Posidonia oceanica gewonnen. Verfilzte Wurzel- und Faserreste dieser Wasserpflanze – die sogenannten Neptunbälle – werden an vielen Stränden des Mittelmeeres angespült. Nach Deutschland wird Seegras beispielsweise aus Tunesien und Albanien importiert.
Vom Neptunball zur Dämmwolle Neptutherm
Als Dämmstoff für den mitteleuropäischen Markt wurde Seegras durch den Karlsruher Architektur-Professor Richard Meyer „entdeckt“, der aus den Neptunbällen die Dämmwolle Neptutherm entwickelt hat. Anders als Schilfdämmungen, die eine bauaufsichtliche Einzelgenehmigung erfordern, ist Seegras zur Wärmedämmung grundsätzlich zugelassen. Eine Seegrasdämmung enthält keinerlei Zusatzstoffe, auch Borsalze als Flammschutzmittel sind für diesen Naturdämmstoff nicht erforderlich.
Tabelle 1: Die Eigenschaften von Seegrasdämmungen im Überblick
Wärmeleitfähigkeit | 0,040 – 0,045 W/mK |
---|---|
Baustoffklasse | Alt: B2, Neu: E (normal entflammbar) |
minimale Dämmdicke gemäß EnEV 2014 | 18 cm |
Rohdichte | 75 kg/m3 |
Preis pro m2 | 25 – 35 EUR |
Wie werden Seegrasdämmungen hergestellt?
Die Anfänge von modernen Seegrasdämmungen bestanden in einem Test: Professor Meyer ließ eine Probe der 2 bis 10 cm großen Neptunbälle durch das Fraunhofer-Institut für Bauphysik untersuchen. Das Ergebnis bestand darin, dass dieses Material durch seine silikathaltige Struktur gute Wärmespeicherfähigkeiten aufweist, relativ schwer entflammbar sowie gegen Feuchtigkeit und Schimmel resistent ist. Für die Herstellung der Neptutherm-Dämmwolle werden die Seegraskugeln in einem mechanischen Prozess gereinigt und zu Wollfasern zerkleinert.
Wie kommt Seegras zur Wärmedämmung in den Handel?
Seegrasdämmungen gibt es ausschließlich als loses Material. Je nach Fasergröße werden sie als Stopf-, Schütt- und Einblaswolle gehandelt und verwendet. Theoretisch ist auch der Einsatz von Dämmmatten aus Seegras möglich, die derzeit jedoch keine Marktbedeutung haben. Nach eigenen Angaben arbeitet die Firma Neputherm an der Entwicklung von Dämmplatten aus Seegras.
Kosten und Hersteller von Seegrasdämmungen
Mit einem m2-Preis zwischen 25 bis 35 Euro bewegt sich Seegras im preislichen Mittelfeld des Dämmstoffmarktes. Mit gängigen Dämmmaterialien wie Stein- und Glaswolle oder Polystyrolen (EPS, XPS), aber auch mit Naturstoffen wie Flachs und Hanf lässt sich ein Gebäude zum Teil deutlich günstiger dämmen, der Vorteil von Seegras besteht demgegenüber in seiner zu 100 % ökologischen Qualität. Der einzige Hersteller von Seegrasdämmungen auf dem deutschen Markt ist derzeit die Firma Neptutherm. Der Marktanteil von Seegras auf dem Dämmstoffmarkt ist bisher sehr gering.
Über welche bauphysikalischen Eigenschaften verfügt Seegras als Dämmstoff?
Die Wärmeleitfähigkeit (? – Lambda) von Seegras liegt zwischen 0,040 und 0,045 W/mK (Watt pro Meter x Kelvin). Seine Wärmedämmungsleistung ist damit im Vergleich zu Mineralwollen oder Polystyrol etwas geringer. Jedoch ermöglichen Seegrasdämmungen einen deutlich besseren Schall- und Hitzeschutz.
Diffusionsoffenheit und Kapillaraktivität
Der Wasserdampfdiffusionswiderstand von Seegrasdämmungen beträgt 1 bis 2 ? – ebenso wie andere Naturdämmstoffe (z. B. Flachs, Hanf, Schilf oder Kokosfaser) ist das Material damit in hohem Maße diffusionsoffen und kapillaraktiv. Mit diesen Eigenschaften sowie seiner weitgehenden Feuchtigkeitsresistenz ist Seegras insbesondere für Altbausanierungen hervorragend geeignet.
Tabelle 2: Seegras und andere Wärmedämmstoffe im Vergleich
Dämmstoffe | Wärmeleitfähigkeit (W/mK) | Mindestdämmdicke laut EnEV (cm) | Kosten pro m2 (Euro) |
---|---|---|---|
Seegras | 0,040 – 0,45 | 18 | 25 – 35 EUR |
Schilf | 0,040 – 0,055 | 18 | 10 – 20 EUR |
Hanf | 0,04 – 0,045 | 16 | 10 – 27 EUR |
Flachs | 0,04 | 15 | 13 – 30 EUR |
Steinwolle | 0,035 – 0,045 | 14 | 10 – 20 EUR |
EPS/Styropor | 0,035 – 0,045 | 14 | 5 – 20 EUR |
Einsatzbereiche von Seegras zur Wärmedämmung
Seegrasdämmungen werden bisher fast ausschließlich im individuellen Hausbau eingesetzt. Die Dämmwolle aus Seegras ist recht vielseitig verwendbar. Einsatzgebiete von Seegras zur Wärmedämmung sind beispielsweise:
- Fassadendämmung: Seegras kann hier sowohl für Außendämmungen als auch zur Innendämmung von Außenwänden Verwendung finden. Eine Außendämmung mit Seegras im Rahmen eines energetischen Sanierungsprojektes wird durch die Firma Neptutherm beschrieben: Das gesamte Haus erhielt zunächst eine Holzverschalung, deren Gefache unten mit einer OSB-Platte verschlossen wurden, die Seegras-Wolle wurde danach manuell in den Dämmraum zwischen Verschalung und Wand gestopft. Alternativ ist auch eine Verwendung als Einblasdämmung möglich.
- Dachdämmung: Seegras kommt hier für Zwischensparrendämmungen zum Einsatz.
- Decken- und Bodendämmung: Schüttdämmungen aus Seegras eignen sich hervorragend zur Wärme- und Trittschalldämmung von Decken oder Böden. Das Material wird mit oder ohne Abdeckung auch zur Wärmedämmung der obersten Geschoßdecke verwendet.
- Hohlraumdämmungen.
- Dämmung von Gebäuden in Holzrahmen- oder Holztafelbauweise.
- Dämmung von Fertighäusern aus Holz.
- Wärme- und Schalldämmung in Innenräumen.
Vorteile von Seegrasdämmungen:
- Schlechte Entflammbarkeit: Seegrasdämmungen sind bauaufsichtlich zwar als „normal entflammbar“ eingestuft, benötigen im Gegensatz zu anderen Dämmstoffen für die Einstufung in diese Baustoffklasse jedoch keinen zusätzlichen Flammschutz.
- Diffusionsoffenheit und Kapillaraktivität
- Hervorragender Schall- und Hitzeschutz
- Hohe Feuchtigkeits- und Schimmelresistenz
- Resistenz gegen Schädlingsbefall
- Leichte Verarbeitung
- Schadstofffreiheit
- Natürliche Entsorgung, Kompostierbarkeit
- Geringer Primärenergiebedarf für Beschaffung und Produktion: Der Primärenergiebedarf von Seegras ist im Vergleich zu anderen Dämmstoffen um mindestens 30 % geringer.
Nachteile von Seegrasdämmungen:
- Der vergleichsweise hohe Preis.